Unantastbar

Von ganz viel Demokratie geprägt war diese Woche für mich. Das Grundgesetz feierte Geburtstag -und wir haben in Bonn mitgefeiert und Parlamentsluft geschnuppert. Im Kino bin ich eingetaucht in die Entstehung des Grundgesetzes und habe beim Film „Sternstunde ihres Lebens“ mit Dr. Elisabeth Selbert mitgefiebert, die den Gleichstellungsartikel ins Grundgesetz hinein“gekämpft“ hat.

Und dann schau ich in diesen Wahnsinnstext, der so dicht ausdrückt, was mir wichtig ist und was ich Woche für Woche auch wiederfinde in den biblischen Texten: Unendliche Würde, lebensfördernde Freiheit, einmalige und unverwechselbare Individualität, un-bedingt geschenkt, zugesprochen, innewohnend, gewollt, garantiert, nicht rücknehmbar.

So positiv und dankbar gestimmt dafür, dass ich in einem Land lebe, in dem diese Rechte tatsächlich gewahrt werden, ich nicht um mein Leben, meine körperliche Unversehrtheit fürchten muss, in dem ich gerecht und gleich behandelt werde und meine Stimme zählt, verlasse ich das Kino, verlasse ich das große Demokratiefest in Bonn – und stehe plötzlich im Regen meiner katholischen Realität.

Würde kann sich tatsächlich leer und hohl anfühlen, wenn aus gleicher Würde nicht gleiche Rechte für alle erwachsen.

Wenn viel Aufwand getrieben wird für gewählte Gremien, die dann teilweise nur beratende Voten abgeben dürfen.

Wenn die alle betreffenden Entscheidungen statt von Gewählten von Geweihten gefällt werden.

Wenn die Hälfte aller Beteiligten qua Geschlecht bei Besetzung von Leitungsämtern nicht berücksichtigt wird.

Und wenn das alles nach der Definition der Entscheider Gottes Wille ist.

„Institutionelle Kompetenz“ hieß das früher in den Gutachten der Praktikumsbegleiter*innen, die attestieren mussten, ob ich damit klarkomme, mit diesem Widerspruch. Inzwischen weiß ich: das ist eine lebenslange Herausforderung. Und an manchen Tagen fällt’s mir schwerer als an anderen. Zum Beispiel, wenn das Grundgesetz Geburtstag feiert…